Betreff: Erneute Anfrage zum Gesetz über kommunale Abgaben; Ihr Schreiben vom 03.06.2024, die Kopie ist für Herrn Innenminister Poseck bestimmt
Sehr geehrter Herr Mann-Sixel.
danke für die erneute Antwort. Waren Sie bei der Gesetzesfindung dabei? Ihre gesetzesfernen Interpretationen zu den zwei gestellten Fragen lassen diesen Rückschluss zumindest nicht zu.
Wenn die Gesetzesbegründung, wie Sie sagen, keine weiteren Ausführungen zum „Umfang der einmaligen Belastung“ enthält, dann geht Ihre dazu geäußerte – wohl persönliche – Interpretation doch deutlich am Gesetzeswillen vorbei. An keiner Stelle ist im Gesetz zu lesen, dass, wenn nur Teileinrichtungen, wie Beleuchtung oder Gehwege, erneuert wurden, die logischer weise zu geringeren „einmaligen“ Beiträgen führten, es dann den Kommunen erlaubt ist, den Verschonungszeitraum satzungsrechtlich nach eigenem Gutdünken festzulegen. Für eine Reduzierung des Verschonungszeitraumes auf 15 Jahre oder 10 Jahre, fehlt jeglicher sachlicher Bezug. Solche verkürzten Verschonungszeiträume sind dann rein willkürlich oder können Sie dafür einen objektiven Maßstab nennen? Wenn es im Willen des Gesetzgebers gelegen hätte, bei zu erneuernden Teileinrichtungen die Verschonungszeiträume zu verkürzen, müsste es auch so ausdrücklich im Gesetz stehen und dürfte nicht der Willkür eines Satzungsrechtes unterliegen. Der im Gesetz genannte „Umfang der einmaligen Belastung“ erklärt sich doch deutlich aus dem Betrag, den der Grundstückbesitzer in der Vergangenheit für einmalige Straßenbeiträge bezahlt hat und stellt eine objektive und keine willkürliche Bezugsgröße dar. Im § 11 a Abs. 6 KAG steht ausdrücklich, dass, wenn von einmaligen auf wiederkehrende Beiträge umgestellt wird, der „Umfang der einmaligen Belastung“ zu berücksichtigen ist. Damit wird doch der Wille des Gesetzgebers eine „1:1-Verrechnung“ der vormals bezahlten einmaligen Beiträgen vorzunehmen, deutlich heurausgestellt oder wie ist der „Umfang der einmaligen Belastung“ zu definiere?
Als im Dez. 2016 in der Stadtverordnetensitzung der Stadt Riedstadt das Thema Straßenbeiträge diskutiert wurde, lag eine Mustersatzung vor, bei dem der § 20 „Überleitungsregelung“ (s. angehängten Auszug) wie folgt gefasst war: „ Diese Grundstücke bleiben solange beitragsfrei, bis die Gesamtsumme aus den einzelnen Jahresbeiträgen bei der Veranlagung zum wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag dem Betrag des entstandenen einmaligen Beitrages überschritten hätte…..“. Diese Formulierung entspricht genau dem Gesetzeswille und widerlegt in jeder Hinsicht Ihre Kommentare dazu. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand geht mit dem Verwaltungsaufwand einher, den die Einführung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen schlechthin auslöst. Aus diesem Grund hat die Stadt Groß-Gerau weitsichtig auf die Einführung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen verzichtet.
Festzuhalten ist auch, dass, wenn nur der Gehweg oder die Beleuchtung saniert wurde, sich dadurch doch nicht die übliche Nutzungsdauer ändert. Die Nutzungsdauer ist ein Parameter, der „Umfang der einmaligen Belastung“ der entscheidende und dazu ein objektiver zweiter Parameter und aus der Gegenüberstellung „Umfang der einmaligen Belastung“ bei einmaligen Straßenbeiträgen zur heutigen Belastung durch wiederkehrende Straßenbeiträge ermittelt sich der Freistellungszeitraum. Was anderes ist dem Gesetz nicht zu entnehmen! Auch ein Gehweg hält 25 Jahre. Wenn also nur der Gehweg erneuert wurde, liegt es auf der Hand, dass auch die damals gezahlte einmalige Belastung wesentlich niedriger war, als wenn die ganze Straße saniert worden wäre. Das spricht doch eindeutig dafür, dass es für die Festlegung des Freistellungszeitraumes wichtig ist, die damalige einmalige Belastung der heute entstehenden Belastung für wiederkehrende Straßenbeiträge gegenüberzustellen. Wenn der Grundstückbesitzer vor 10 Jahren also nur € 2.000 für den Gehweg bezahlt hat und er jetzt jährlich € 500 wiederkehrende Straßenbeiträge bezahlen müsste, dann wäre der damalige „Umfang der einmaligen Belastung“ nach dem Wortlaut des Gesetzes nach 4 Jahren verbraucht! Dieser Gesetzeswille ist mit den Worten „und der Umfang der einmaligen Belastung“ doch eindeutig benannt und gibt dem Satzungsgeber – ohne ihm ein Spielraum einzuräumen – vor, die Überleitungsregelungen unter Berücksichtigung des „Umfang der einmaligen Belastung“ festzulegen. Eine andere Vorgehensweise ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und wäre somit als reine Willkür anzusehen und nicht mit der Gesetzessvorgabe zu vereinbaren.
Auch können die Preissteigerungen im Straßenbau, die in den letzten Jahren wohl erheblich waren, nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Preissteigerungen finden erst dann Berücksichtigung, wenn der „Umfang der einmaligen Belastung“ den heutigen wiederkehrenden Straßenbeiträgen, in denen sich die Preissteigerungen niederschlagen, gegenübergestellt werden.
Zu den Erschließungskosten sagen Sie, dass sich der Gesetzgeber bei der Gesetzessnovelle zum 01.01.2013 davon hat leiten lassen, dass diejenigen Grundstückeigentümer, die bereits in den direkt vergangenen Jahren durch Erschließungs- oder Straßenbeiträge belastet wurden, nicht zugleich zu wiederkehrenden Straßenbeiträgen herangezogen werden dürfen, da es bei beiden Belastungsfällen um eine Doppelbelastungsvermeidung ging. Zum einen stellt sich hier die Frage, wie sich bei den Erschließungskosten für den Gesetzgeber eine Doppelbelastung herleitet, zum anderen hat der Gesetzgeber doch im § 11a Abs. 6 Satz 5 festgelegt, dass der freistellungszeitraum 5 Jahre nicht unterschreiten soll und damit sichergestellt, dass es nicht gleich zu weiteren Beitragszahlungen kommt. Der Gesetzgeber muss sich der Tatsache stellen, dass jeder Grundstückbesitzer der, egal ob in den direkt vergangenen Jahren oder früher, Erschließungskosten bezahlt hat damit zunächst nur einmal für den Straßenbau belastet ist. Insoweit kann bei den Erschließungskosten zum einen von keiner Doppelbelastung die Rede sein und zum anderen ist eine Missachtung des Gleichheitssatzes gegeben, wenn Grundstückbesitzer, die Erschließungskosten gezahlt haben, unterschiedlich behandelt werden! Anders ist es für den Grundstückbesitzer, der ein zweites Mal für den Straßenbau herangezogen wird. Hier wäre die von ihnen genannte Doppelbelastung gegeben.
Auch wenn Sie das Argument mit dem brachliegenden Grundstück nicht überzeugt, so ist es als Fakt anzusehen, wenn heute ein brachliegendes Grundstück gekauft wird, dann zahlt der Käufer heute mit dem Kaufpreis auch die Erschließungsbeiträge. Zwar nicht an die Kommune, aber an den Grundstücksverkäufer, der diese Erschließungsbeiträge irgendwann mal an die Kommune geleistet hat. Für den neuen Grundstückbesitzer ist dies aber unerheblich, da es sich für ihn so darstellt, als würden er die Erschließungskosten jetzt bezahlt. Insoweit tritt dann auch hier die nach ihrem Verständnis vermeintliche „Doppelbelastung“ ein.
Auf der einen Seite propagiert die SPD vor der Wahl die Abschaffung der Straßenbeiträge in Hessen, lässt das Thema aber im Koalitionsvertrag außen vor, auf der anderen Seite erlässt die Landesregierung mit dem KAG ein Gesetz zu wiederkehrenden Straßenbeiträgen, zu dem Ihre Interpretationen sehr zu wünschen übrig lassen. So wird bestimmt kein Vertrauen in die Politik aufgebaut, so dass sich keiner über die politischen Verschiebungen im Land wundern muss.
Diese Mail und Ihr Schreiben vom 03.06.2024 geben wir zum einen den Teilnehmern der IG zur Kenntnis und veröffentlichen es zum andere auf unserer Homepage.
Mit freundlichen Grüßen
IG Straßenbeiträge Riedstadt
Vertreten durch
Helmuth Keller, Arnold Müller, Klaus Schad, Bernd Metzger, Peter Eberle, Rolf Lipka